VENEZIANISCHE IMPRESSIONEN
   2007 / 29

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Den Duce hat er aber mit Sicherheit nicht aus solch liberalem Blickwinkel gesehen.

Die italienische Küche ist mit Recht berühmt und jeder Herzspezialist empfiehlt sie dir, als die gesündeste für eine weiterhin treu arbeitende Pumpe. Ich weiss allerdings nicht, ob die das immer noch predigen würden, wenn sie die Gasschwaden alten Frittieröls, die durch Venedigs Gassen ziehen, überlebt hätten. Ich liebe Frittiertes, aber seit ich jedes Mal eine Magenvergiftung wegen alten Öls davontrage, wenn ich die Pulpi und Gamberi in dieser Form zu mir nehme,

habe ich es mir endgültig abgewöhnt. Ich empfehle in Venedig eher Spaghetti al burro.

Das Land mit dem wahrscheinlich besten Olivenöl zu zahlbaren Preisen, leidet an einer Krankheit, die schon Berlusconi gross gemacht hat, der Furbezza (spezifisch italienische Form der Schlauheit). Viele venezianische Wirte glauben offenbar, mit altem Öl ganz schön Geld zu sparen. Sie scheinen eh davon  auszugehen, dass sie einen Gast nur einmal in ihrem Leben sehen. Was natürlich stimmt, wenn man ihm nach einem grandiosen Entrée als Teaser, die verbratenen Reste des Vortages serviert. Die Köchin Marlena de Blasi beschreibt in ihrem witzigen Buch "Tausend Tage in Venedig" einen solchen Schlaumeier, der den Venezianern nur das Frischeste, den Fremden aber die Reste des Vortages serviert. Das System scheint Schule gemacht zu haben. Und nun begreife ich auch, weshalb die Venezianer jedes Gericht mit dem Kellner mit penetranter Ausdauer in allen Einzelheiten durch besprechen, meist den Kopf schütteln, und erst nach langem Palaver bestellen. So richtig Italienisch müsste man können!

Das hässliche Venedig

Über Graffiti und Hundekacke habe ich mich schon aufgeregt. Es gibt aber neben der permanenten Schönheit, die man hier aushalten muss, wenn man nicht auf das Selbstbewusstseins eines Zwerges zusammengestaucht werden will, zum Glück auch sonst Hässliches, das einem wieder die Lust zum Widerspruch weckt.

Dazu gehören - aber ich gebe zu, das ist jetzt ganz Geschmacksache - die Ausstattungen von Hotels, welche offenbar im "Venezianischen Stil" eingerichtet werden, einer Mischung aus schweren staubfangenden Stoffen, gerafften und gerüschelten Tüchern, düsteren Vorhängen und Brokatdeckchen über Telefon und Ersatz-WC-Rollen. In den Gassen findet man alleweil noch das schöne Gewerbe der Polsterer, die in ihren Werkstätten ihre stupenden Fähigkeiten an eben solche Scheusslichkeiten verschwenden. Und in den einschlägigen Läden stapeln sich die Kisschen und Kissen, die Bezüge und Soffiten, die Kordeln und Zierschnüre, welche ganze Räume wie ein wucherndes Spinnennetz überziehen, als hätte es keine Moderne, kein Bauhaus, keinen Charles Eames gegeben. Und unwillkürlich denkt man an Murano mit seinen

Glasbläserkünsten, die...
Ja nun, da habe ich auch Hervorragendes gesehen, tatsächlich.

Über Kioske sollte man sich wohl nicht ereifern, die verklickern auf der ganzen Welt Geschmacklosigkeiten. Was sich allerdings die Venezianer in dieser Hinsicht leisten, ist einsame Spitze. Offenbar ist da eine ungebrochene Nachfrage, und der schwarze Peter muss an die Käufer weitergereicht werden. Da erinnere ich mich gerne an ein Sprichwort meines Vaters: Der eine frisst gern Stiefelwix, der andere isst gern Butter.