Armand Schulthess -
  J'ai le téléphone  1974

Mitwirkende, Mitarbeiterinnen und technische Angaben

DVD in vier Sprachversionen (D,F,I,E) und Bonusmaterial

Qualitätsprämie der Eidgenossenschaft
Zürcher Filmpreis

Armand Schulthess - Buch

 

Ausstellung in der Collection de l'art brut 1976

 

Armand Schulthess als Vorlage  für Max Frisch’s "Der Mensch erscheint im Holozän"(Vortrag am Deutschen Theater Berlin anlässlich der Inszenierung von Tom Luz 2016)

"me demander..."

Armand Schulthess wurde 1901 in Neuenburg geboren und ging in Zürich zur Schule. Nach der Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten und der Aufgabe eines Geschäftes für Damenbekleidung trat er 1939 in die Bundesverwaltung ein. 1951 quittierte er den Dienst, um im Tessin "einen völlig neuen Lebensabschnitt zu beginnen". Er war zweimal verheiratet.

Schulthess malte nicht, sondern schrieb ab, klassifizierte und hängte die Texte in die Bäume. Im 18.Jahrhundert wäre er zweifellos ein grosser Enzyklopädist geworden. Seinen Besitz, einen 18'000 qm grossen Kastanienwald im Onsernone-Tal im Tessin, verwandelte er in einen philosophischen Garten. Entlang eines ansteigenden Weges standen Bäume voller Tafeln, auf denen Schulthess das Wissen der Menschheit verzeichnet hatte. Oft handelte es sich einfach um Buchtitel.

Evolutionistisch lösten sich die Themenkreise ab: Unten begann es mit Geologie, Paläontologie, Atomphysik. Oben, nahe beim Haus, erreichte man die Bezirke
"Zur Mechanik des Geistes", Psychoanalyse und Esoterik. Sorgfalt, Ordnungssinn und enzyklopädische Vollständigkeit waren Ausdruck einer ihm eigenen Zärtlichkeit, die sich in seinem immensen Gesamtkunstwerk niederschlug. Seine über 70 selbst geschriebenen und selbst gebundenen Bücher über Ehe und Sexualität zeugen ebenfalls davon. Auch rechnete er ganze Jahrestabellen von astrologischen Planetenkonstellationen mit Zehntausenden von Zahlen durch. Seine Arbeitswut war unerschöpflich. Nachts hörte man ihn singen, wenn er Mauern und Sitzplätze aus Granitsteinen baute. Über vielen dieser Sitzplätze hing die Tafel: "Une idée: s'asseoir et lire un livre."

Vor seinem Tod liess Schulthess kaum jemand in sein Heim. Als 1973 verständnislose Erben das Haus räumten, den grössten

Teil der Bücher verbrannten und den Garten zerstörten, stellte sich heraus, dass die Tafeln in den Bäumen lediglich den Zettelkasten zu überbordenden Dokumentationen bildeten, die das Haus bis auf schmale Gänge füllten. Vor Menschen flüchtete Schulthess wie ein scheues Wild. Zeitlebens suchte er eine Frau, der er in seinem Haus bereits ein Zimmer mit allem Notwendigen eingerichtet hatte.

"Hans-Ulrich Schlumpfs Film über, genauer: zu jenem am 19.Februar 1901 in Neuenburg geborenen Alfred Fernand Armand Schulthess spiegelt nicht, wie der Dokumentarfilm im landläufigen Sinn, Fakten wieder, dokumentiert nicht, sondern ist ein Dokument, ein Faktum, das sich den beschriebenen Fakten anschliesst, sich ihnen einverleibt, sich ihnen zurechnet und ihnen zuzurechnen ist. Vom ersten Augenblick seines Entstehens an war der Film schon ein unabdingbares Schulthessianum. Ein seltener Glücksfall des Non-Fiction-Films, des Mediums, das als wirkliche Erinnerungsdeponie funktioniert, die Vergangenheit nicht nur beschreibt, sondern überhaupt erst aufbewahrt.

Schulthess ist von Schlumpf nicht porträtiert, sondern recht eigentlich am Leben erhalten worden. So würde es sich nämlich mit Schulthess heute verhalten, ginge Schlumpfs Film jetzt verloren oder wäre er nie gemacht worden: als ob es den Mann nicht gegeben hätte, als ob mit seinem Nachlass er selbst der Müllabfuhr übergeben worden wäre."
Pierre Lachat in der Zeitschrift Cinéma

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